Die Sozialdemokratie hat in ihrer langen Geschichte viele Krisen erlebt. Unter Bismarck wurde die Partei verboten, unter Hitler ihre Mitglieder verfolgte - und nicht selten ermordet. Der SPD Neuhausen ist es daher ein besonderes Anliegen, an die Genossinnen und Genossen zu erinnern, die während der Zeit des Nationalsozialismus wegen ihres politischen Engagememts für die Sozialdemokratie verfolgt wurden. In unserem Stadtbezirk waren dies unter anderem:
- Rudolf Bössl (Angestellter bei der Stadt, SPD-Mitglied, ab 1925 SPD-Sektionsführer in Neuhausen, ab 1931 in Nymphenburg, April bis Juli 1933 Stadtrat; 9.5.1933 von Nationalsozialisten aus dem Sitzungssaal geprügelt; 22.5.1933 Entlassung aus dem öffentlichen Dienst; 22.5.1933 Verhaftung, Haft in der Ettstraße, anschließend bis Februar 1934 im KZ Dachau)
- Josef Dangl (Straßenbahnoberschaffner; 19.1.1934 Verlust des Arbeitsplatzes wegen Mitgliedschaft im „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“)
- Hedwig Eholzer (Kontoristin, SPD-Mitglied; 1935 Verhaftung und Haft in der Ettstraße und in Stadelheim; 9.7.1936 Verurteilung wegen Verbreitung illegaler Schriften zu einem Jahr und sieben Monaten Gefängnis)
- Konrad Fiederl (Maschinenarbeiter, SPD-Stadtrat; 9.5.1933 von Nationalsozialisten aus dem Sitzungssaal geprügelt; 22.5.1933 Verhaftung, Haft in der Ettstraße, danach im KZ Dachau)
- Erwin Folger (Angestellter, SPD-Mitglied; 1933 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen)
- Johann (Hans) Fried (Schreiner, SPD-Mitglied, 2. Vorsitzender der Kinderfreunde e. V.; 30.5.1934 Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Druckschriften, Verhaftung; Haft im Neudeck, in Straubing und Amberg bis 18.7.1936; 19.8.1936–5.10.1938 im KZ Dachau, 26.6.–3.7.1942 in Gestapohaft)
- Margot (Mary) Fried (Fotografin, SPD-Mitglied; Mithilfe beim Aufbau der Widerstandsgruppe ihres Mannes, Hans Fried)
- Volkmar Gabert (Schüler; 1938 Emigration nach Prag, dann nach Großbritannien)
- Friedrich Göhring (Schriftsteller, Journalist bei der Münchener Post; bis 1929 SPD-Sektionsführer in Nymphenburg; 9./10.3.1933 Verlust des Arbeitsplatzes nach Zerstörung der Redaktionsräume durch die SA; 27.3.–1.5.1933 und 16.6.–22.6.1933 Haft in der Ettstraße sowie im KZ Dachau)
- Edmund Goldschagg (Journalist bei der Münchener Post, SPD-Mitglied; 9./10.3.1933 Verlust des Arbeitsplatzes nach Zerstörung der Redaktionsräume am durch die SA; 16.6.1933 Verhaftung, Haft in der Ettstraße; 1934 erneute Verhaftung; versteckt eine untergetauchte Jüdin)
- Walter Goldschmidt (Maschinenschlosser)
- Franz Göster (Postbetriebsassistent, SPD-Mitglied, SPD-Sektionsführer Neuhausen II; 30.6.1933 Verhaftung, Haft im KZ Dachau)
- Fanny Gressierer (Angestellte)
- Moritz Guggenheim (Straßenbahnoberschaffner, SPD-Mitglied; 23.1.1934 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen)
- Max Hirschberg (Rechtsanwalt, SPD-Mitglied; 10.3.1933 Verhaftung, Haft in der Corneliusstraße bis 23.8.1933; April 1934 Flucht nach Italien, 1939 Emigration in die USA)
- Elisabeth Käs (Mitglied in der Sozialistischen Arbeiterjugend; 17.3.1933 Verhaftung, Haft bis 31.3.1933 in der Ettstraße)
- Jakob Kerscher (Arbeiter bei der Stadt München, SPD-Mitglied; 11.12.1933 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen)
- Max Klar (Orthopäde, Chirurg; Kontakte zum SPD-Widerstand; 14.3.1933 Verhaftung, Haft in der Ettstraße und in Stadelheim; 9.11.1938 erneute Verhaftung, Haft im KZ Dachau; 30.11.1938 im KZ Dachau ermordet)
- Sylvia Elvira Klar (Kontakte zum SPD-Widerstand; 1.12.1939 Verhaftung, Haft in der Ettstraße und in Stadelheim sowie im KZ Ravensbrück; 9.6.1942 im Bernburg ermordet)
- Elisabeth Kohn (Rechtsanwältin, SPD-Mitglied; 5.8.1933 Verlust der Berufszulassung; im November 1941 nach Kaunas deportiert und dort mit tausend anderen Juden ermordet)
- Fritz Köslich (Mechaniker; 28.7.1934–8.11.1935 Haft im KZ Dachau; 1935/36 Arbeitslosigkeit aus politischen Gründen)
- Hans Lehnert (Rechtsanwalt, Leiter des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes in München; Verbreitung von Flugblättern und Druckschriften im Widerstand gegen den Nationalsozialismus; 16.10.1937–April 1938 Haft; 1938 Emigration in die Schweiz)
- Josef Linsenmeier (Glasmaler, Zeichner, SPD-Mitglied, 1. Vorsitzender der Kinderfreunde; Verhaftung am 30.5.1934, Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von Druckschriften, Haft im Neudeck, in Straubing und in Amberg bis 18.5.1936; 10.6.1936–18.10.1938 im KZ Dachau)
- Johann Pletz (Gewerkschaftssekretär, SPD-Mitglied; 5.5.1933 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen)
- Karl Reisinger (Schmied, Bezirksvorsitzender der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands in Neuhausen; Versuch, ein konspiratives Netzwerk aufzubauen; 21.5.1937 Verhaftung, Haft in der Ettstraße, im Wittelsbacher Palais; am 12.4.1938 zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis wegen der Verbreitung von illegalen Schriften verurteilt)
- Josef Reiter (Reichsbahnschlosser, SPD-Mitglied; am 24.5.1939 wegen Beleidigung Hitlers entlassen, Verurteilung zu fünf Monaten Gefängnis, 2.1.–6.5.1940 Haft in Landsberg)
- Sebastian Rohrmeier (Bäcker; 10.04.1933 Hausdurchsuchung; 11.3.1933 Verhaftung; Haft in der Ettstraße und im Neudeck bis 1.5.1933; 1.10.1933 Entlassung aus politischen Gründen)
- Alois Sattelberger (Maschinenschlosser, Vorarbeiter bei den Verkehrsbetrieben, SPD-Mitglied und seit 1927 SPD-Sektionsführer in Neuhausen I; Mai 1933 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen; 22.5.1933 Verhaftung,Haft in der Ettstraße, danach bis 11.12.1933 Haft im KZ Dachau)
- Hans Schmid (Maurer, Vermittler beim Arbeitsamt, SPD-Mitglied, seit 1924 Vorsitzender der SPD-Sektion Neuhausen, Stadtrat; 3.4.1933 Verlust des Stadtratsmandats; 30.6.1933 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen)
- Josef Schober (Schneider, SPD-Mitglied, Jugendleiter in Neuhausen; 2.6.1934 Verhaftung, Haft in der Ettstraße, in der Corneliusstraße, im Neudeck und in Nürnberg; Verurteilung wegen Verbreitung von Druckschriften; 18.7.1935–5.10.1937 Haft im KZ Dachau, 1942 erneute Verhaftung)
- Anton Schopp (Lithograf, Abteilungsleiter beim Arbeitsamt, SPD-Mitglied, Stadtrat; 11.3.1933 Verhaftung, Haft in der Ettstraße und in Stadelheim bis 22.3.1933; 26.3.1933 erneute Verhaftung, Haft in der Ettstraße und in der Corneliusstraße bis 28.6.1933; Juni 1933 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen; 27.7.1944 Verhaftung, Haft im KZ Dachau 5.8.–6.10.1944)
- Wilhelm Simon (Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend; 16.3.1933 Verhaftung, Haft in der Ettstraße und in der Corneliusstraße)
- Carl Sotier (Redakteur bei der Münchener Post, SPD-Mitglied; 11./12.3.1933 Verhaftung; Haft in der Ettstraße 16.6.–24.6.1933; Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen)
- Franz Weber (Mechaniker, SPD-Mitglied; 28.4.1935 Verhaftung, 16.8.1935–10.3.1937 Haft in Stadelheim; Anklage wegen Hochverrats vor dem Volksgerichtshof am 22.12.1936; 16.3.1937 Tod auf dem Transport ins Gefängnis Berlin-Moabit)
- Viktoria Weber (Sachbearbeiterin bei der Arbeiterwohlfahrt, SPD-Mitglied; 22.5.1933 Verhaftung, Haft bis 1.8.1933 in der Ettstraße und in Stadelheim; Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen)
Die Neuhauser Widerstandsgruppe um Schober, Linsenmeier und Fried
Angehörige der „Arbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde e. V.“ und der „Sozialistischen Arbeiterjugend“ (SAJ) bildeten im Frühjahr 1933 in Neuhausen eine Widerstandsgruppe. Nachdem ihre Organisationen verboten worden waren, trafen sie sich im Privaten zu gemeinsamen Freizeitaktivitäten. Ausgehend von dem Schneider Josef Schober, dem Glasmaler Josef Linsenmeier und dem Schreiner Johann (Hans) Fried entstanden Kreise, die versuchten, Publikationen der Exil-SPD wie den „Neuen Vorwärts“, die „Sozialistische Aktion“ und andere verbotene Literatur zu verbreiten. Dabei hielten sie auch Kontakt zu dem ins tschechische Exil geflohenen Münchner SPD-Politiker Waldemar von Knoeringen. Dieser riet von gefährlichen Massenverteilaktionen ab und rief dazu auf, zuverlässige Kader im Untergrund zu schulen. Die Neuhauser Widerstandsgruppe wurde schließlich von der Polizei im Mai/Juni 1934 enttarnt, jedoch blieb den Verfolgungsbehörden das übrige Netzwerk mit gut einem Dutzend weiterer Mitglieder verborgen. Fried, Schober und Linsenmeier wurden im Oktober 1934 vor dem Oberlandesgericht München wegen ihrer Widerstandsaktivitäten zu Strafen von zwei Jahren Zuchthaus, einem Jahr Gefängnis bzw. einem Jahr und zehn Monaten Zuchthaus verurteilt. Teilweise wurden sie nach der Verbüßung ihrer Gefängnisstrafe als Schutzhäftlinge ins KZ Dachau oder in andere Haftanstalten eingeliefert.